aus ECHO Online
08. August 2011 | rke
Gewandet im Hochzeitskleid
Mittelaltermarkt: Eine bunte Szene ist Teil der Veranstaltung – Auch Besucher schlüpfen in andere Rollen
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Auf ihn mit Gebrüll: In dem Helm steckt allerdings kein Feindeskopf, sondern ein alter Sack. Foto: Ralph Keim
Sie gehen normalen Berufen nach, kleiden sich überhaupt nicht auffällig. Ab und zu jedoch zeigen sie ihr zweites Gesicht. Dann gürten sie ein Schwert um, legen ein Kettenhemd an, streifen sich die Kleidung längst vergangener Epochen über, leben wie ihre Vorfahren. Auch auf dem Mittelaltermarkt in Ginsheim bevölkerten zahlreiche so genannte „Gewandete“ das Areal.
Tim Groninger setzt dabei weniger auf Authentizität. Der schwarze Ledermantel, der auch aus den „Matrix“-Filmen stammen könnte, reicht dem achtundzwanzigjährigen Konditor bis zu den Knöcheln. Schwarze Lederstiefel, schwarze Hosen und ein breiter Gürtel komplettierten die Kleidung, bei der das Langschwert wie ein Anachronismus wirkt. „Mir gefällt es“, grinst Groninger, der an Fastnacht ebenfalls in dieser Montur auftritt.
Für den Besuch des Mittelaltermarktes in Ginsheim hatte in ihrem karnevalistischen Fundus auch die fünfköpfige Familie Reinheimer gekramt. Karin Reinheimer streifte sogar ihr altes Hochzeitskleid über. Die Kassierer erkannten die Ausstaffierung der Reinheimers als „gewandet“ an, was sich in barer Münze auszahlte: Gewandete zahlen bei Mittelaltermärkten einen verbilligten Eintritt.
Andreas Göttlicher ist von Beruf Bankangestellter, Andrea Butty Industriekauffrau, Bernd Geller Diplom-Psychologe. In der Interessengemeinschaft „Phoenix Natio“ leben sie zusammen mit Gleichgesinnten wie im Hochmittelalter. Während eines Mittelaltermarktes wie in Ginsheim bauen sie ein kleines Lager mit Zelten und Kochstelle auf, präsentieren sich dem Publikum als lebende Museumsstücke. Und das kostet nicht gerade wenig: „Allein ein kleines Zelt kostet rund 1000 Euro“, erläutert Andreas Göttlicher.
„Diese Menschen schlüpfen in eine Rolle, leben ein zweites Leben, brechen aus dem Alltag aus“, erklärt Holger Hörstkamp, Chef des Eventunternehmens „Heimdalls Erben“, das solche Märkte organisiert.
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